sunnyboy hat geschrieben:Ad2:
Zeitarbeiter: Natürlich sind die Zeitarbeitstarife nicht die besten (aber immer noch höher als manch andere Dienstleistungsbranchen), aber div. deutsche Großkonzerne zahlen auf Druck des Betriebsrats fast identisch zu den Festangestellten und sehr viele Zeitarbeiter wurden übernommen .
Bin selbst über die Zeitarbeit einst in einen Großkonzern reingeruscht und mittlerweile rutsche ich von Konzern zu Konzern allerdings nicht mehr als Zeitarbeiter

, obwohl es für das Interimsmanagement sehr lukrative Angebote von Zeitarbeitsfirmen gibt.
Das die Tarife bei der Zeitarbeit besser sind als bei den Frisören oder beim Wachdienst in Ostdeutschland rechtfertigt gar nichts. Genauso wie die Ausnahmen der Auftraggeber, welche den Zeitarbeitsfirmen soviel zahlen, dass die Ihre Leute anständig bezahlen können. Man darf die Ausnahmen und die Extreme nicht zur mit der Regel vergleichen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Zeitarbeitsfirmen sich nicht an ihre eigenen Tarife halten und ihre Leute standardmäßig eine Lohngruppe zu niedrig ansetzen. Nicht weil die Auftraggeber zu wenig zahlen, sondern um den Gewinn zu vergrößern. Denn der Zeitarbeitsfirma werden die Lohnkosten, ohne das irgendwelche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, subventioniert.... ach nein das ist ja falsch...der Staat ist ach so sozial und stockt die Löhne auf H4 Niveau auf....
Die %-Zahlen wieviele der Mitarbeiter aus der Zeitarbeit von den Auftraggebern übernommen werden, schwankt zwischen der Branche und der Agentur für Arbeit ganz gewaltig. Die Agentur für Arbeit sagt, das über 60% der Zeitarbeiter selten länger als 6 Monate bei einer Zeitarbeitsfirma arbeiten und dann wieder bei der ARGE in der Schlange stehen. Diese tauchen in der Statistik der Zeitarbeitfirmen nicht auf, denn die wurden ja alle am Ende der Probezeit nicht übernommen. Von den 40% die länger angestellt bleiben, rutschen dann 25% in reguläre Jobs, das sind aber auf die Gesamtmasse der Zeitarbeiter gerade mal 10% Ich kenne Leiharbeiter die alle 3-5 Monate den Verleiher wechseln und so nie einen Urlaubsanspruch erlangen oder nie, wie in einigen Haustarifen vorgesehen, in die Periode der Lohnzuschläge kommen....
Das ganze hoch subventionierte Zeitarbeitssystem ist Gift für unsere Volkswirtschaft. Aber warum ist sie so erfolgreich? Während bereits die Agenda 2010 diskutiert wurde, wurde auf Grund eines Urteils des Verfassunggerichtes das Kündigungsschutzgesetz geändert. Diese Änderungen waren den Arbeitgebern aber zu wenig. Die wollen den Kündigungsschutz ja am liebsten ganz abschaffen. Hire and Fire hieß damals das Stichwort. Da die Politik, um die Arbeitnehmer nicht sofort gegen sich aufzubringen, den Kündigungsschutz nicht schon wieder anfassen wollte, wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert und so der Kündigungsschutz durch die Hintertür de facto abgeschafft und so die gewünschte Flexibilität in den Arbeitsmarkt gedrückt. Zeitarbeitersverträge mit dem Auftraggeber sehen zwar auch eine Kündigungsfrist von 2 Wochen vor, in der Praxis ist der Auftraggeber den Leiharbeiter innerhalb von 2 Tagen los. Mittwochs wird disponiert Freitag letzter Tag....
Das der Zeitarbeiter unter dem Strich teurer ist als die eigenen fest angestellten Mitarbeiter, interessiert dabei überhaupt nicht.....
Und hier liegt die Wurzel des Übels. Ich bin ja selbst Gewerbetreibender und habe mir mal von verschiedenen Zeitarbeitsfirmen Angebote machen lassen. Für Personal wie ich es bräuchte, müsste ich bis zu 29,50 Euro Stunde an die Leihfirma abdrücken. Das entspricht aufs Jahr gerechnet 60320 Euro. Der Leiharbeitnehmer bekommt nach dem derzeitigen BZA-Tarif davon gerade mal um und bei 10,80 Euro/Std Brutto. Als Auftraggeber könnte ich aber, den AG Anteil der SV, Urlaubskosten, Krankheitskosten und sonstige Sozialkosten rausgerechnet für das gleiche Geld einen Stundenlohn von etwa 20 Euro die Stunde brutto zahlen. Also ungefähr das Doppelte von dem was die Zeitarbeitsfirma zahlt.......
Bei solchen Stundenlöhnen bräuchte nicht ein Arbeitnehmer am Monatsende zur ARGE laufen und der Steuerzahler könnte sich die Aufstockung von rund 2 Mio Gehältern (Tendenz steigend) sparen..... und hier liegt das perfide des derzeitigen Systems der Leiharbeit. Obwohl die Auftraggeber genug bezahlen, wird der größte Teil der Leiharbeiter zum Sozialfall.
Noch ein Beispiel dafür, wie das System Leiharbeit die öffentlichen Kassen plündert, ohne das die wirklich betroffenen davon etwas haben....
Jedes Altersheim handelt mit den zuständigen öffentlichen Kassen Tagespflegesätze aus. Das ist soweit gut und richtig. Die Kalkulation der Pflegesätze muss na klar offen gelegt werden. In die Tagessätze sind natürlich auch die Personalkosten nach branchenüblicher Bezahlung enthalten. Stehen die Pflegesätze fest, gründet der Inhaber des Pflegeheimes eine Verleihfirma, stellt sein Personal nicht nach Branchentarifen beim Pflegeheim ein, sondern nach den wesentlich niedrigeren Löhnen bei der Verleihfirma ein und verleiht zum mit den Kassen vereinbarten Satz das Personal an sich selbst und steckt so Geld welches die Kassen als Lohn fürs Pflegepersonal abdrücken (und das genug zum Leben ohne H4 wäre) als zusätzlichen Gewinn in die eigene Tasche. Hier werden dann die öffentlichen Kassen doppelt belastet, da das Pflegepersonal dann sein Gehalt bei der ARGE aufstocken lassen muss.
Dieses System ist, wie schon gesagt, Gift für unsere Volkswirtschaft und vor allem für den Staatshaushalt. Niemand mit gesundem Menschverstand kann dieses System gut heißen. Im Gegenteil, es müsste jedem die Zornesröte ins Gesicht treiben.
Das diese System einfach nur abgeschafft wird, ist nicht zu erwarten. Jedenfalls nicht von einer Bienenkoalition. Die SPD wird bestenfalls etwas nachbessern...
Nein, um dieses System auszurotten bleibt den Arbeitnehmern nur eines. Die heilige Kuh des Kündigungschutzes anzufassen und außerhalb der Leiharbeit zumindest einen Teil so zu flexibilisieren das die Leiharbeit unnötig wird. Davon würden alle Profitieren. Denn dadurch würden sich die Sozialausgaben der öffentlichen Kassen deutlich reduzieren was Platz für Steuer- und Abgabenerleichterungen für alle brächte. Die Initiative muss hier Seitens der Arbeitnehmer sprich den Gewerkschaften kommen und das sage ich als überzeugter Gewerkschafter (ich bin zwar inzwischen selbst Unternehmer geworden, deshalb muss ich aber nicht meine Wurzeln verleugnen). Aber erzähle das mal den Gewerkschaftsoberen die fast traumatisch an der Vergangenheit hängen. Sicherlich gilt es für die Arbeitnehmer nach wie vor sich zu vereinen, denn nur gemeinsam ist man stark. Es gilt auch erkämpftes zu erhalten, damit das Wort "sozial" nicht ganz aus unserem Wortschatz verschwindet. Es gilt aber auch die nötige Flexibilität für zeitgerechte Anpassungen an den Tag zu legen. Mit dem stoischen festhalten am Kündigungschutz tun die Gewerkschaften ihren Mitgliedern und allen anderen Arbeitnehmern derzeit keinen Gefallen.
Ich stelle mir als Lösung zum Beispiel vor, dass eine neue Form des Arbeitsvertrages eingeführt wird, der für einen bestimmen Prozentsatz der Belegschaft Kurzzeitbeschäftigung ermöglicht. Damit die Kurzzeitarbeitnehmer aber auch Anspruch auf Urlaub, Weihnachtsgeld usw. erarbeiten und behalten und diesen Anspruch schließlich auch einlösen können, könnte man die Kurzzeitbeschäftigung ans System der SOKA Bau anschließen. Die Verträge mit den Kurzzeitarbeitnehmern müssen die Unternehmen aber direkt abschließen. Damit die Zeitarbeitsfirmen weiterhin etwas zu tun haben, können sie (müssen nicht) von mir aus die Aufgabe übernehmen, welche eigentlich die Aufgabe der BA ist. Das Management der Kurzzeitabeitnehmer für gesetzlich festgelegte maximal 5% des vereinbarten Lohnes als Provision. So würden die Kurzeitarbeitvermittler nicht zu den Arbeitgebern sondern zu den Partnern der Kurzzeitarbeitnehmerschaft und auf Grund des geringen Provisonssatzes haben sie dann ein Interesse daran ihre Mandanten so teuer wie möglich zu verkaufen.....
So könnte man unter wesentlicher Beibehaltung des Kündigungschutzes den Arbeitsmarkt flexibilisieren und die durch den Prekärzwang+ Aufstockung und der Zeitarbeit unterlaufene Tarifautonomie der Arbeitnehmer wieder herstellen (die Arbeitgberverbände sind doch so für das freie Spiel der Kräfte) und obendrein die Sozialkosten der öffentlichen Haushalte mächtig senken...davon würden alle profitieren. Die teilweise Aufgabe des Kündigungschutzes wäre dafür kein zu hoher Preis.....